Rund um das Handwerk in Traunstein

„Der Montag ist des Sonntags Bruder, und den Dienstag liegen die Gesellen noch im Luder“. Sollte dieser Sinnspruch jemals Anwendung gefunden haben, musste der Geselle mit Sicherheit die Konsequenzen dafür tragen. Einst gehörte der Geselle zur Familie des Meisters, war dem Gesinde zugeordnet. Berufs- und Familienleben waren sozusagen eins, um die Nahrungserhaltung zu sichern. Das Standes- und Rechtsbewusstsein des Gesellen war jedoch stark ausgeprägt. Wurde ein Meister infolge einer Straftat „unehrlich“, konnte es vorkommen, dass der Geselle über Nacht dessen Haus verließ. Ein Beispiel für eine Straftat zeigt die Heirat eines Sattler-Meisters im Jahr 1610. Mit der Ehe einer Frau, die ein uneheliches Kind eines Pfarrers hatte, wurde der Meister aus der Zunft ausgeschlossen. Letztlich durfte er nach landesherrlichem Befehl zwar wieder als Sattler arbeiten, es war ihm jedoch zeitlebens verboten, Gesellen zu beschäftigen. Meistens aber erklärte die versammelte Zunft den Meister nach einem Vergehen wieder für „ehrlich“ und so konnte er auch wieder Gesellen aufnehmen. 

Trotz der langen Tradition des Traunsteiner Handwerks hatte es keinen großen politischen Einfluss. Dieser lag bis zum Ende des 16. Jahrhunderts bei den reichen Bürgern - den Salzsendern, da Traunstein ein wichtiger Umschlagplatz für den Salzhandel zwischen Reichenhall und München war. Nach der Verstaatlichung des Salzgewerbes wurden zwei Herren des Stadtrats zu Zunftkommissaren bestellt, die daraufhin für Stadt und Staat auf das Handeln der Zünfte einwirkten.

Das Stadtzeichen durfte nur anhand bestandener Qualitätsprüfung der Ware verwendet werden. (Foto: Veronika Leopold)

Jede Branche war also der „Zunft“ oder dem „Handwerk“ - wie man in Traunstein sagte - untergeordnet. Mit dieser Einrichtung sollte jedem Meister sein Dasein gesichert werden, auf dem Grundgedanken basierend, nicht mehr Erzeugnisse herzustellen als gekauft bzw. verbraucht werden konnten. Von den größten Zünften gab es in Traunstein lange Zeit zehn Bäcker, neun Metzger und sechs Schuhmacher. Die Anzahl der Meister eines Handwerks war in Traunstein wie überall begrenzt. Drei Meister waren oftmals in vielen Handwerken wie bei den Schmieden und Müllern tätig. Man war ständig auf der Hut, dass nicht „Stümpler und Fretter ins Handwerk pfuschten“ und den Zunftgenossen „ihr Stückl Brot vor dem Maul abschnitten“. Auf christlichen Säulen gebaut, traten die ersten Zünfte als Gebetsbruderschaften, sogenannte „Zechen“ in Erscheinung. Im Jahr 1418 ist in Traunstein die erste Schmiedzeche erwähnt. Den Meister zu erwerben, war nur in Form von Einheirat oder Erbe möglich. Ausnahmen gab es natürlich. Auch die Anzahl der Gesellen war beschränkt. Bis ins 20. Jh. durfte ein Meister in Traunstein nur zwei Gesellen beschäftigen. Geselle war man lebenslänglich, heiraten durfte man nicht; ausgenommen war die Ehe mit der Meisterswitwe. Die romantische Liebe war dabei unwesentlich. Oftmals lagen Jahrzehnte zwischen dem Alter der Eheleute. Arbeit zu finden, war nicht immer einfach für den Gesellen. Zu diesem Zweck konnte er durch das Deutsche Reich wandern und auf „Handwerksgeschenke“ hoffen.

Zinn-Schuh in eleganter Ausführung (Foto: H. Stangl, Stadt Traunstein)

In jeder Stadt hatte jede Zunft ihr bestimmtes Wirtshaus, wo Zunftversammlungen stattfanden. Das war die Anlaufstelle, um nach Arbeit zu fragen; Stellenvermittlung anno dazumal quasi. Im Traunsteiner Stadt- und Spielzeugmuseum zeugt die Zieglerwirtsstube noch davon. Über den Tischen hängen Zunftzeichen, die anhand des Symbols den Gesellen zu „seinem“ Tisch verwies. Die erste Abbildung zeigt das Tischzeichen der Bruderschaft der Schuhmachergesellen in Traunstein - ein hohler Zinn-Schuh in eleganter Ausführung, über der Ferse mit Drehverschluss. Dieser ist vielleicht ein Indiz dafür, die Trinkfestigkeit der Bewerber zu testen. Die Fußsohle weist die Gravur auf: „Einer ersamen Priederschaft der Schueknedten in Draunstain angeherig 1729“.

Des Weiteren ist das Stadtzeichen Traunsteins auf dem Henkel eines Zinnkrugs der Bierbrauerzunft zu sehen, datiert 1713. Das Stadtzeichen (siehe oben rechts) durfte nur anhand bestandener Qualitätsprüfung der Ware verwendet werden. Zinngießer gibt es in Traunstein seit 1646. Mit einer Zinngießerei weist Traunstein eine von wenigen noch bestehenden Werkstätten in Bayern auf. Mit einem Zinnbecher im Heimathaus wird auch die Zinngießertagung aus dem Jahr 1997 in Traunstein belegt. 

Literatur: 
Bleckenwegner, Hans: Das Handwerk in Traunstein in der frühen Neuzeit, Universität Salzburg 2011.- von Dobeneck, Götz: Handwerkszünfte in Traunstein. In: Festschrift. 100 Jahre historischer Verein für den Chiemgau 1889-1989 zu Traunstein, Jahrbuch, Traunstein 1989.

Veronika Leopold
Stiftung Heimathaus Traunstein
(März 2022) 

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