Die Bezeichnung „Biedermeier“ ist zurückzuführen auf den erfundenen Verfasser spießbürgerlicher Texte dessen Schöpfer ihm den Namen Gottlieb Biedermaier  gegeben haben. Die angeblich von Biedermaier geschriebenen Texte (1855-1857) waren Spottbeiträge auf die Zeit zwischen den Napoleonischen Kriegen und der 1848er-Revolution. Überstandene Kriege und die gescheiterte Revolution förderten die Sehnsucht nach Ruhe und den Rückzug in die „eigenen vier Wände“, die Epoche Biedermeier steht daher auch in enger Verbindung zu Themen der häuslichen Einrichtung, der Hauskultur, der Mode und der Literatur. 

Neben politischen Umwälzungen ist das Biedermeier auch ein Ergebnis wirtschaftlicher Veränderungen. Lange in der Geschichte gab es das „Ganze Haus“, in welchem die bürgerliche Familie und die Werkstatt mit Arbeitern unter einem Dach lebte und arbeitete. Das männliche Oberhaupt der Familie wurde von seiner Gattin im Betrieb unterstützt. Mitunter verkaufte die Bürgerfrau Waren, war für den Ankauf von Rohmaterial zuständig und verwaltete das Geld. Dies wandelte sich mit der industriellen Revolution. Im 19. Jahrhundert fand eine Aufspaltung des bürgerlich familiären Lebens in einen privaten und einen öffentlichen Bereich statt; da nun auf neue Weise produziert wurde, wurde auch die Arbeit neu organisiert. Größere Werkstätten erforderten das Auslagern der Betriebe. Die Bürgerfrau wurde nun von ihren bisherigen Aufgaben im „Unternehmen“ entbunden und war fortan ausschließlich für die Besorgung des Haushalts im eigenen Heim - in dem meist eine große Nachkommenschaft auf sie wartete - zuständig. Im bäuerlichen Milieu war das anders. Dort bestand der „Ganze Haushalt“ fort.
Lichtschirm aus dem Biedermeier
 

 

Lichtschirm aus dem Biedermeier (Detail)

Wenn die Bürgersfrau nach ihren abendlichen Arbeiten des Nähens und Stopfens noch Freizeit hatte, wurde auch diese sinnvoll mit feinen Handarbeiten verbracht. Dafür war natürlich Licht notwendig. Mit „Licht“ hat auch das hier vorgestellte Exponat zu tun, es ist nämlich ein Lichtschirm. Dieser hat auf kreisrunder Standfläche einen gedrechselten Ständer, dem oben ein runder Rahmen aufgesetzt ist. Über die Innenfläche des Rahmens spannt sich ein einseitig bedrucktes Seidengewebe. Der Druck zeigt im Bildzentrum eine in eine hochgestellte medaillonartige Form eingeschrieben Szene: Eine junge Frau sitzend am kleinen Tisch mit einer Tätigkeit beschäftigt, die nicht klar zu deuten ist. Zu ihren Füßen sitzt ein Mädchen dem stehenden Buben links zugewandt. Die eingerahmte Szene wird umfangen von schmückenden Ranken und Bändern. Platziert man hinter diesem lichtdurchlässigen Seidengewebe eine brennende Kerze, erzeugt dies optisch eine reizende Wirkung. In erster Linie diente dieser Lichtschirm dem Dämmen von Licht und ist so einem Lampenschirm sehr ähnlich. 

Der Lichtschirm ist im 2. Obergeschoss des Stadtmuseums Heimathaus Traunstein ausgestellt.

Literatur:
Himmelheber, Georg: Kunst des Biedermeier 1815-1835. Architektur, Malerei, Plastik, Kunsthandwerk, Musik, Dichtung und Mode, 2. Aufl., München 1989.
Weber-Kellermann, Ingeborg: Frauenleben im 19. Jahrhundert. Empire und Romantik, Biedermeier, Gründerzeit, München 1983.


Veronika Leopold / überarbeitetet v. Stefan Schuch

Stadtmuseum Heimathaus Traunstein