Johann Baptist Neumüller kam als Sohn des Kramers Lorenz und dessen Gattin Elisabeth am 3. Juni 1799 zur Welt. Als der ältere von zwei Söhnen wuchs er in einem bäuerlichen Umfeld auf. Schon das Kind Johann begeisterte sich früh fürs Malen, was die Mutter zu verhindern suchte, in dem sie sein begehrtes Malzeug versteckte. Denn was sollte ein legitimer Hoferbe mit einem Malpinsel in der Hand? Der Junge ließ sich davon nicht abhalten. Als 14-Jähriger begann er, auf dem heimatlichen Friedhof Grabkreuze zu bemalen. Daraufhin wurde der Schwarzmaler vom Traunsteiner Maler Gregor Mair beim Landgericht verklagt und musste für diesen Verstoß gegen die Zunftordnung 30 Kreuzer berappen. Schließlich war es der Pfarrer von Vachendorf Georg Hippelli, der den Talentierten zu fördern begann. Als Johann 16 Jahre alt war, ließ Hippelli ihn sein Sommerhäuschen ausmalen, u. a. mit Motiven des Chiemsees. Hippelli führte angesehene Personen in das Häuschen, um Förderer für den Jungen zu gewinnen. Und so konnte Neumüller 1819 kostenlos die Salinenzeichenschule in Reichenhall besuchen. 

Aus dem ersten Porträt blickt uns Joseph Wispauer (1785-1879), ein angesehener Bürger von Traunstein entgegen. Als Kaufmann sowie Gastwirt, später auch Bürgermeister seiner Heimatstadt bekleidete er zudem das Amt eines Landtags-Abgeordneten. Dass Neumüller die Königliche Akademie der Bildenden Künste München besuchen konnte, verdankte er ihm. König Max I. Joseph besuchte 1822 die Saline in Traunstein und logierte im Gasthof Wispauer, das am Stadtplatz lag. Begeistert von den Porträtgemälden trug der König daraufhin Verantwortung für die Ausbildung Neumüllers an der Akademie. Dort belegte der junge Mann das Fach Porträtmalerei.

Das Ölbildnis, gemalt 1821-1822, zeigt Wispauer im Alter von 36 Jahren. Seine gesamte Erscheinung veranschaulicht einen starken Charakter und Eleganz. Samtkragen, vergoldete Knöpfe und ein schneeweißes Hemd mit grünem Zierknopf – vermutlich ein Smaragd – vermitteln Wohlstand. Dieser Mann, in seiner Lebensblüte stehend, weiß um seine gesellschaftliche Stellung. Josef Wispauer verkörpert das in der „Aufklärung“ erstarkte Bürgertum. Zuvor war lange Zeit das Recht sich porträtieren zu lassen, kirchlichen und höfischen Würdenträgern vorbehalten.

Josef Wispauer gemalt von Johann Baptist Neumüller

 

Porträt des Jakob Johann Nepomuk Büchele von Johann Baptist Neumüller

Als Gegenstück dazu fungiert hier das Bildnis des Jakob Johann Nepomuk Büchele von 1822. Ein Mann mit 74 Jahren, in erster Ehe als Bierbrauer tätig. Verwitwet heiratete er nochmals und arbeitete dann als Bäcker. Die Spuren seiner Lebenserfahrung spiegeln sich ungeschönt im Gesicht wider. Minutiös schildert Neumüller einen würdevollen Mann in reifem Alter. Der aufmerksame, etwas verschleierte Blick vermittelt Ernüchterung. Man möchte sich zu dem Mann setzen und ihn nach seinem Leben befragen.

Beide Bildnisse beleuchten zwei unterschiedliche Alter und Erfahrungen. Die Porträts hängen im Stadtmuseum Heimathaus jeweils neben jenen der porträtierten Gattinnen. Die künstlerische Ausführung weist dieselbe Qualität auf. Jedoch geht die Aussage auseinander. Die Ehefrauen sind in minimal gebeugter Körperhaltung dargestellt. Allein dadurch werden Tugenden hervorgehoben, die in jener Zeit von Frauen erwartet wurden: Zurückhaltung und Angepasstheit.

 

Vermutlich alle Porträts Neumüllers zeigen die Dargestellten in direktem Blickkontakt mit den Betrachtenden. Dieser allgemein üblich gewordene Kunstgriff ermöglicht eine nonverbale Kommunikation zwischen Bild- und Realraum. So wird die Grenze aufgehoben. Neumüller offenbart in seinen Porträts die „Wahrheit“, nach welcher besonders in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts - im Biedermeier - viele Seiten trachteten. 

Auch für die Kirche hat der Künstler einige Aufträge ausgeführt. So waren die heute in der Pfarrkirche Vachendorf zu sehenden Kreuzwegstationen ursprünglich für St. Oswald in Traunstein geschaffen.

Literatur: 
Jürgen Eminger und Albert Rosenegger, Johann Baptist Neumüller (1799-1840). Ein bedeutender Chiemgauer Maler der Biedermeierzeit, Traunstein 1994.

Veronika Leopold (redaktionell bearbeitet v. Stefan Schuch)
Stadtmuseum Heimathaus Traunstein