Die Passion Christi im bewegten Bild

Schaukasten zur Passion Christi
Sieht dieses Objekt in der Form nicht ein wenig aus wie ein Fernsehgerät?
 

Dieser „Schaukasten“ aus dem Stadtmuseum Heimathaus Traunstein zeigt im Mittelfeld die Szene aus der Leidensgeschichte Jesu, in der er vor Pontius Pilatus geführt wird. Des Weiteren weist der Kasten spannende Bezüge auf. In Größe und Form gleicht er mit Außenmaßen von 36, 54, 14 cm weniger einem altertümlichen Fernseher als einem Flachbildschirm. Der seitlich abgerundete Holzrahmen ist in der Art von Bauernkästen bemalt mit blauem Grund und roten Rosen darauf. Die verglaste Schaufläche ist gerahmt von einer aufgeklebten Borte, die an Theaterbühnen erinnert. Dieser Rahmen verdeutlicht den Fokus auf das zur Schau gestellte Bild. Im Inneren des Kastens ist links und rechts jeweils eine Rolle montiert, über die ein durchgehendes bemaltes Transparentpapier gewickelt ist. Mit der Betätigung der Drehkurbel am Kastendeckel kann dieses abgespult werden. Die Umrisse der wichtigsten Bildinhalte von insgesamt 22 Szenenbilder sind in kleinen Abständen durchgehend gelocht. Hinter dem Papier kann man mittels einer Lichtquelle bei einer Darbietung im Dunkeln wohl einen spannenden Effekt erzeugen.
Die weinende Mutter Gottes mit dem toten Jesus

 

 

Einzelne Transparentbilder, die zu geselligen Ereignissen vorgeführt wurden, kamen zu Ende des 17. Jh. auf. Im Kontext mit unserem Schaukasten ist der am Pariser Hof tätige Louis Carmontelle (1717-1806) zu nennen. Er schuf ein bis zu 18 m langes, auf chinesisches Papier gemaltes Transparent, das in einem 50 cm hohen Kasten vor einer brennenden Kerze abgewickelt wurde. Carmontelles Bilder waren unterhaltsamer Art wie lustwandelnde Gesellschaften oder Gondelfahrten.

Die Szenenbilder im Traunsteiner Kasten sind christlich konnotiert. An 16 Szenen aus dem Leiden und der Auferstehung Christi reiht sich das Gnadenbild von Absam in Tirol mit dem Abbild der Gottesmutter. Die restlichen Szenen bestreitet ein Schützenzug, von der Geistlichkeit angeführt. Für eine Datierung des Schaukastens in das 19. Jh. spricht vor allem das Gnadenbild von Absam, das auf ein übermitteltes Wunder aus dem Jahr 1797 zurückzuführen ist.

Literatur:
Manfred Brauneck und Gérard Schneilin (Hrsg.), Theaterlexikon. Begriffe und Epochen, Bühnen und Ensembles, 3. vollständig überarb. Neuausgabe, Reinbeck bei Hamburg 1992.
David Robinson, Vorwort. In: Der Guckkasten. Einblick – Durchblick – Ausblick, Stuttgart 1995.
Birgit Verwiebe, Vom Guckkasten zum Transparentbild. In: Der Guckkasten. Einblick – Durchblick – Ausblick, Stuttgart 1995.

Veronika Leopold (redakt. bearb. v. Stefan Schuch)
Stadtmuseum Heimathaus Traunstein