Die Schandmaske als Teil der Ehrenstrafe

Eine Maske hat immer zwei Seiten: eine ist nach außen gewandt und die andere richtet sich an das verborgene Gesicht. Als Kommunikationsmittel ist sie Vermittlerin zwischen Welt und Individuum. Das hier thematisierte und abgebildete Beispiel zeigt eine sogenannte „Schandmaske“ aus dem Heimathaus.

Grundsätzlich fanden Schandmasken als Teil der „Ehrenstrafe“ in der Neuzeit Anwendung. Ehrenstrafen verbreiteten sich in Deutschland zuerst in den südlichen Gebieten, angrenzend an die Schweiz und Österreich. Wenn auch untergeordnet, waren diese ein Bestandteil der „Carolina“, der Strafrechtskodifikation Kaiser Karls V. für das gesamte Heilige Römische Reich Deutscher Nation 1532. In Kombination mit dem Pranger waren Schandmasken vor allem in Franken gängige Strafmittel. Ab dem 18. Jahrhundert kamen sie jedoch immer seltener zur Anwendung. Mit der Schandmaske um den Kopf geschnallt wurden Bestrafte dem Volk vorgeführt, bloßgestellt und dem Gespött preisgegeben. Diese Maske war keine Leibesstrafe, sollte die Verurteilten körperlich nicht verletzen. Mit ihrer Anwendung wurde die „niedere“ Gerichtsbarkeit tätig, da es sich um geringfügige Delikte handelte. Die Macht, diese Strafe zu verhängen, lag also bei den Räten der Stadt wie auch den Adligen. Der Begriff „Ehre“ beinhaltet mehrere Faktoren und ist schwer zu fassen. Die Ehre ist immer im geschichtlichen Kontext zu denken. Maßstäbe vor 400 Jahren sind nicht vergleichbar mit jenen von heute. Psychologische Aspekte im Hinblick auf den individuellen Charakter sowie eine ethische Komponente sind ebenso Teile der Ehre. Hinzu kommt die Unterteilung der „inneren“ und „äußeren“ Ehre. Erstere betrifft die eigene Sicht auf sich selbst, was vor allem die Selbstachtung meint. Die „äußere“ Ehre basiert auf Achtung und Anerkennung von anderen Menschen oder gar von einer ganzen Gesellschaft. Allein gesellschaftliche Ignoranz auf einzelne konnte die Ehre auf einen Nullpunkt setzen. Wenn zudem noch die Ehrenstrafe vollzogen wurde, kippte dies schlagartig ins Negative. Im Bayern des beginnenden 18. Jahrhunderts lautete ein Sprichwort: „Ehre verloren, alles verloren“. Wurde also einer bürgerlichen Person die Ehre entzogen, wog dies schwerer als einige Leibesstrafen. Bis zum Ende des 30-jährigen Krieges galt die Ehre als Basis der Volkskultur. Aufgrund des manifestierten Traditionalismus der Bevölkerung konnte ein Aufweichen dieses harten Bodens nur langsam erfolgen.

Schandmaske aus dem Heimathaus Traunstein, (Foto: Veronika Leopold)

Ein Beispiel aus dem Jahr 1692 lässt die Tragik des Ehrempfindens vergangener Tage spürbar werden: Eine Frau hatte ein Leintuch gestohlen und wurde der Stadt verwiesen. Am selben Tag erfror sie vor der Stadtmauer, weil niemand sich ihrer annahm. „Verlor“ man seine Ehre, verlor man die Persönlichkeit und die Rolle, die man bisher in der Gesellschaft eingenommen hatte. Im schlimmsten Fall verlor man das Leben. Sebastian Knott definiert die Ehrlosigkeit in Bayern wie folgt: „Die Tat machte ehrlos und ihr folgte eine Strafe, die diese Ehrlosigkeit darstellte.“ (Knott, 2006, S. 26) Dass die Schandmaske explizit zum Ziel hatte die Bestraften völlig ihrer Ehre zu entziehen, ist schwer zu sagen. Wurde sie doch für mindere Verfehlungen angewandt. Diese betrafen mitunter Tratsch- oder Zanksucht, Fluchen, Beleidigung der Obrigkeit, handwerklichen Pfusch oder moralisches Fehlverhalten. Eine Ähnlichkeit zwischen Schandmaske und „spiegelnder Strafe“ ist gegeben. In ihrer Ausführung verweisen beide auf die Art des Vergehens. In unserem Fall sind die Aufschrift und die Ohren Hinweise dafür. Mit „Für Böße Zungen“ und der dominanten Ausarbeitung der Ohren sind wohl Tratsch und Beleidigung gemeint. Die mit Schandmaske Verurteilten blieben nicht unerkannt. Da es sich meist um überschaubare Orte handelte, man sich untereinander kannte, wurde rasch verbreitet, wer sich hinter der Maske verbarg - und weshalb.

In Traunstein ist die Verwendung von Schandmasken laut Stadtarchiv nicht nachweisbar. Allerdings befand sich zwischen Rathaus und der Kirche St. Oswald ein Pranger. Pranger waren unterschiedlich ausgeführt; dies hing von den zur Verfügung stehenden Mitteln ab sowie davon, ob es sich um den gängigen „hochgerichtlichen“ oder den „niedergerichtlichen“ Pranger handelte. Faktisch förderte das einfache Prangerstehen zu Zeiten des sonntäglichen Kirchganges das Verspotten und Verurteilen möglichst vieler Menschen. Zugleich war es Warnung für die Bevölkerung.                                                                                                                  

Quellen:
Germanisches Nationalmuseum,https://www.gnm.de/objekte/schandmaske/,Zugriff am 17.07.2022.
Knott, Sebastian, Bei der Ehre gepackt! Die Ehrenstrafe in Bayern seit 1700, Regensburg 2006.
Kreissl, Eva (Hrsg.), Maske und Macht. In: Die Macht der Maske, Graz 2006, S. 7-18.
Weitere Inhalte sind einem Aktenvermerk von Stadtarchivar Franz Haselbeck an den ehemals amtierenden Oberbürgermeister aus dem Jahr 1990 entnommen.
Besten Dank dafür an Herrn Haselbeck!

Veronika Leopold
Stiftung Heimathaus Traunstein
(Juli 2022)

 

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