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Tonbozzetti von Johann Georg Itzlfeldner (1705-1790)

Erinnern Sie sich an den ersten Eindruck beim Betreten eines imposanten Bauwerks! Meine erste Reaktion ist stets ein Staunen über das handwerkliche Geschick der Ausführenden. Dazu kann eine prachtvolle barocke Kirche mit ihren pausbäckigen Engeln durchaus ein amüsiertes Lächeln hervorrufen. Die bühnenhafte Darstellung von Figuren ist ein typisches Merkmal des Barock, der sich lokal unterschiedlich, aber im heutigen Bayern grob zwischen 1600 und 1770 äußerte. (Teile Bayerns gehörten im 18. Jahrhundert noch zu Salzburg.) Die barocke Spätphase ist geläufig unter dem Begriff „Rokoko“. Dekorativ tritt dieser vor allem durch das C-förmige Rocaille-Ornament in Erscheinung. Plastische Wandmotive sind nun eher flach, nicht mehr wulstig und schwer. In der Skulptur steht wie im Hochbarock die „Große Emotion“ im Fokus.

Eine wesentliche Rolle spielt der Einfluss des italienischen Barock auf die Kunstschaffenden. Sie reisten zum Zweck des Studiums nach Rom und brachten ihre vor Ort gezeichneten „Kopien“ mit, um das Gesehene in ihren eigenen Arbeiten umzusetzen. Der vermutlich bedeutendste nachgeahmte „Allrounder“ war Gian Lorenzo Bernini (1598-1680), bekannt u. a. durch das Hochaltar-Ziborium im Petersdom. Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656-1723) verarbeitete seine italienischen Studien mitunter in der Dreifaltigkeitskirche in Salzburg. Abgeschaut wurde also immer schon. 

„Hl. Maria Magdalena, Tonmodell bzw. Bozzetto von J. G. Itzlfeldner, um 1763.“ (Foto: Veronika Leopold)

Bei der Betrachtung der Itzlfeldner-Figuren drängen sich zuerst die bewegten Kleiderfalten in den Vordergrund. Um diese Bewegungen für sich zu ordnen, braucht es einen konzentrierten Blick. Irgendwann ist man in der Lage, die abgesprungenen Tonteile mit der eigenen Vorstellung zu ergänzen. So erschließt sich nach und nach jede Gestalt und wird in ihrer Komposition verständlich. Die Abbildungen hier zeigen in zwei Ansichten einen Bozzetto der Heiligen Maria Magdalena. Dieser entstand um 1763 für eine Skulptur in der Pfarrkirche Heiliger Georg in St. Georgen bei Salzburg. Nach wie vor befindet sich die Figur dort auf dem Josefs-Altar, dem südlichen Seitenaltar. Knapp 16 Zentimeter beträgt die Höhe des Bozzettos. Stehend in S-Schwung mit zurückgeworfenem Haupt und linkem Bein auf einer Maske zeigt sich die Heilige ergriffen. Ihr rechter Arm sowie der linke Unterarm sind abgebrochen, jedoch liegt die rechte Hand bestürzt auf der Brust. Die übertragene innere Erschütterung auf den bewegten Faltenwurf ist offensichtlich. Diese zeigt sich auch im Gesichtsausdruck. 

„Seitenansicht der hl. Maria Magdalena.“ (Foto: Veronika Leopold)

Hier sei Berninis „Verzückung der Heiligen Teresa“ in der Kirche Santa Maria della Vittoria in Rom (1647–1652) als Beispiel für die überspitzte Darstellung innerer Emotionen erwähnt. Der Itzlfeldner-Bozzetto ist zur Vorderansicht modelliert. Rückseitig ist er flach, was ihn als Wandfigur ausweist. Maria Magdalena ist meist erkennbar aufgrund des offenen Haares, einem Gefäß für die Salbung Christi in Händen und dem Totenschädel als Zeichen der Eitelkeit und Vergänglichkeit. Die Maske als Attribut der Heiligen ist selten. 

Einer ausgeführten Holzskulptur auf einem Altar geht ein aufwändiger Prozess voraus. Im 18. Jahrhundert wurde in etwa so gearbeitet: Dem Wunsch des Auftraggebers folgte die Idee, das sogenannte „Pensiero“. Einzelstudien wurden angefertigt und mündeten schließlich in einem plastischen Modell. Dieses, als „Bozzetto“ bezeichnet, war meist aus Ton gefertigt und wurde als Bewerbungsgrundlage oder Kontraktmodell verwendet. Bei der Modellierung des Bozzettos musste die räumliche Situation der späteren Aufstellung im Blick behalten werden. 

Neun solcher Tonbozzetti sind ausgestellt im III. Obergeschoss des Heimathaus Traunstein. Ihr Erschaffer ist der Bildhauer Johann Georg Itzlfeldner (1705-1790), der in Tittmoning - das erst 1816 endgültig zu Bayern kam - ansässig war. Itzlfeldner gilt als Hauptvertreter des Salzburger Spätbarock bzw. Rokoko. Angeregt war er u. a. von Arbeiten des oben erwähnten Fischer von Erlach. Immer wichtiger für ihn wurde ab den späten 1750er Jahren der Münchner Hofbildhauer Ignaz Günther (1725-1775).  

Itzlfeldner demonstriert in seinen Bozzetti die Fähigkeit große Emotion in kleiner Figur auszudrücken. Arbeiten des Künstlers sind u. a. zu sehen in der Filialkirche in Asten, in der Ponlachkapelle Maria Brunn in Tittmoning, in der Pfarrkirche St. Martin in Saaldorf. 

Literatur:
Preiß, Roswitha: Johann Georg Itzlfeldner. Ein Bildhauer des Salzburger Rokoko in Bayern, Weißenhorn 1983.

Veronika Leopold
Siftung Heimathaus Traunstein
(Juni 2022) 

Werden und Vergehen des „Alten Friedhofs“ 

Die Haslacher Kirche war bis 1850 die Pfarrkirche Traunsteins und führte den offiziellen Pfarrfriedhof. Daneben können weitere Friedhöfe angenommen werden wie jener der heute vergessenen St. Georgskirche auf dem ehemaligen Schrannenplatz (Stadtplatz). Mit der Zeit wurde der Bedarf an Grabstätten immer größer, was u. a. im Bau der Saline Au und dem damit einhergehenden Bevölkerungszuwachs ab 1619 begründet liegt. Dies bewog die Bürgerschaft dazu, eine eigene letzte Ruhestätte für sich zu beanspruchen. Stadtarchivar Franz Haselbeck nennt auch das erstarkte Selbstbewusstsein der Stadtbürger als Grund, eine Beisetzung innerhalb der Stadtmauern einzufordern. 1638 fiel der Beschluss, einen neuen „Gottesacker“ vor dem Oberen Tor - an der heutigen Ludwigstraße - zu errichten. 

„Alter Friedhof in Traunstein aus nördlicher Ansicht, gemalt von einem unbekannten Künstler, datiert um 1830.“(Foto: Veronika Leopold)

Ziel war es, das nunmehr kaum genutzte - 1405 erstmals urkundlich erwähnte -Georgskirchlein vom ehemaligen Schrannenplatz an den neuen Standort zu transferieren. Nachdem der Prälat des Klosters Baumburg in dem Kirchlein am 7. Februar 1639 die letzte heilige Messe gelesen hatte, wurde der Bau ein paar Tage später abgerissen. Die Menschen der Stadt halfen dabei, das Abbruchmaterial zum Bauplatz des neuen Friedhofs zu bringen. Am 25. März 1639 erfolgte die Weihe des Friedhofs und einen Tag später die Grundsteinlegung zur neuen Kapelle St. Georg und Katharina. Der Bauleiter war Stadtmaurer Wolf König („Khinig“), der auch mit Maria Eck und der Salinenkapelle in Verbindung zu bringen ist. Seit dem 11. Mai desselben Jahres fanden die Toten der Stadt hier ihre letzte Ruhestätte. Dass der Bau der Kapelle voll im Gange war, tangierte offenbar nicht. Die erste Beisetzung ist belegt anhand eines Gedenksteins an der Fassade links neben dem Eingang: Hanns Distl hieß der Bürger. Schließlich wurde die Friedhofsanlage 1828 fertiggestellt. Am 16. März 1909 fand die letzte Beisetzung statt, aufgelassen wurde der Friedhof am 1. Mai 1920. Ermöglicht hat dies der Neubau des 1908 eröffneten Waldfriedhofs, der bis heute in seinem ursprünglichen Auftrag steht. Der „Alte Friedhof“ wurde am 26. November 1922 als „Kriegergedächtnisanlage“ eingeweiht. 

Die Abbildung hier zeigt das um 1830 entstandene Gemälde mit dem „Alten Friedhof“, gemalt von einem unbekannten Künstler. Aus nördlicher Richtung wird unser Blick aufgrund der Wege und des Arkadenganges zum markanten Zentrum, das die Kapelle darstellt, gelenkt. Links im Vordergrund beginnend, umzäunt dieser weiße Arkadengang beinahe gänzlich den Friedhof. Zugleich kennzeichnet er die Horizontale in der Bildmitte und verstärkt die Wirkung der Raumtiefe. Auch die beiden Staffagefiguren links - schwarz gekleidet - scheinen die Kapelle mit dem Gottesacker zu studieren. (Staffage ist kein bildrelevanter Inhalt, sondern ein Mittel dazu, das Bild zu beleben.) Dieser reizvolle Arkadengang ist ein Ergebnis mehrerer Bauphasen des beginnenden 19. Jh. Leider konnte sich bis heute nur mehr die Westseite davon erhalten. Die Kapelle ist in der Länge komprimiert, ragt aber aufgrund des Spitzturms markant in die Höhe. Da ein Blitzschlag 1809 den alten Turm massiv beschädigt hatte, wurde dieser 1823 erneuert und mit dem vergoldeten Stern auf der Spitze geschmückt. Unter der Traufe der östlichen Turmseite ist die Jahreszahl „1824“ in ebenso goldschimmernden Zahlen angebracht. Der Anbau unter dem Turm - im Gemälde sichtbar - dürfte das „Beinhaus“ sein, das später abgerissen wurde. Auf den Wiesenflächen beginnen sich bereits die Grabkreuze geordnet zu mehren. 

Das Gemälde lebt durch seine klaren Abgrenzungen in Form und Helligkeit. Die untere Bildhälfte ist eher dunkel gehalten und nur anhand der Wege und Arkaden unterbrochen, während im oberen Bereich das Gebirgspanorama mit dem wolkenbehangenen und doch strahlenden Himmel das Bild zum Leuchten bringt. Die Kapelle mit ihrem grünen Spitzhelm und der Sternspitze trägt zu dieser Strahlkraft bei. 

Auf dem Gemälde nicht dargestellt ist ein vor wenigen Jahren angefertigter Kubus vor der Westfassade der Kapelle. Der Traunsteiner Künstler Rolf Wassermann errichtete aus stählernen Wortkaskaden eine Gedenkstätte, die auch als Mahnmal Wirkung zeigt. Sie birgt zwei Bronzebücher mit den Namen der gefallenen und vermissten Männer beider Weltkriege. Ein Zitat des Künstlers Wassermann von den durchbrochenen Stahlwänden lautet: „VERFÜHRT ZUM KRIEG IM GLAUBEN AN DEN SIEG VERRATEN BELOGEN INS UNHEIL GESTÜRZT (…)“. Eine zeitlose Feststellung. 

Ein besonderer Dank gilt Stadtarchivar Franz Haselbeck. 

Literatur: 
Haselbeck, Franz: Die Geschichte des Traunsteiner Friedhofs, in: Chiemgau-Blätter, Traunstein 2008, Nr. 29 und 30. 

Veronika Leopold
Stiftung Heimathaus Traunstein
(Mai 2022)

Über die Erzählkraft eines unvollständigen Exponats 

Die Bildhauerei war einst ein abgestecktes Betätigungsfeld, das die künstlerische Ausführung von Stein und Holz beinhaltete. Nach und nach hat sie sich um andere Materialien erweitert. Dazu zählen u. a. Ton, Wachs und Metall. Nun stellt sich die Frage nach der Begrifflichkeit. Oftmals werden die Begriffe „Plastik“ und „Skulptur“ den falschen Kategorien zugeordnet. Eine Plastik beschreibt ein Objekt, das mit „wachsendem“ Material angefertigt wird. Ton und Wachs erfüllen diese Anforderungen, da sie aufgetragen bzw. hinzugefügt werden. Bei Stein und Holz verhält es sich anders; bei der Bearbeitung wird Material abgetragen, was die Bezeichnung „Skulptur“ erfordert. Der Lindl am Brunnen in Traunstein ist demnach eine Skulptur. 

Welchem Begriff würden Sie dem abgebildeten „Bildnis“ – wir wollen es „Königskopf“ nennen - zuordnen? Vielleicht erkennen Sie in der Detail-Abbildung die Wurmstiche und die Maserung. Dass es sich demnach um Holz handelt, ist also offensichtlich. Während das Gesicht des Königs gefasst, d. h. mit Farbe versehen ist, zeigt sich die Krone in unvollständiger Ausführung. Da der Kopf auf der Rückseite eine grob geschnitzte Aushöhlung in Muldenform aufweist und mittels Haken für eine Aufhängung versehen ist, dient er nicht für die sogenannte Allansicht, sondern zur Frontalbetrachtung. Von der Nasenspitze bis zur Objektrückseite beträgt die Holztiefe ungefähr 10 cm bei einer Objektlänge von 44 cm. Dieses Objekt kann auch als „Relief“ bezeichnet werden, da es rückseitig flach aufliegt und die Schauseite durch Materialvertiefungen lebt. Definitiv ist es keine Maske. Dabei drängen sich weitere Fragen auf: Haben wir es hier vielleicht mit einem Fragment einer einstigen Ganzkörperskulptur zu tun, die im Nachhinein zu dieser Form „zugeschnitten“ wurde? Oder handelt es sich um ein Bewerbungsobjekt, mit dem der Künstler die Zunftmeister und Räte der Stadt von seiner Kunst überzeugen wollte? Die schlichte historische Aufhängevorrichtung rückseitig verrät jedenfalls, dass dieser Kopf schon eine lange Zeit für die Wand bestimmt ist.

„Königskopf“ aus Holz geschnitzt, gefasst und datiert nach 1674 oder später. Von Albert Rosenegger dem Bildhauer Georg Pämer zugeschrieben.(Foto: Veronika Leopold)
Detailansicht der Krone aus dem sog. „Königskopf“ (Foto: Veronika Leopold).

Als Bildhauer nennt Kreisarchivar Albert Rosenegger den in Traunstein von 1674 bis 1713 tätigen Georg Pämer, der ebenso für eine „Prozessionsmonstranz mit Bischof“ verantwortlich zeichnet (ausgestellt im Heimathaus). Der Königskopf ist wohl in das letzte Viertel des 17. Jahrhunderts zu datieren. Es ist fraglich, ob die Fassung zu einem späteren Zeitpunkt aufgetragen oder erneuert wurde. Restauratorische Maßnahmen am Material wurden jedenfalls vorgenommen. Ob die zwei Holzkeile in der Krone Teile der ursprünglichen Arbeit Pämers sind, ist nicht festzustellen.

Der Künstler beweist Könnerschaft vor allem anhand feiner Ausführung der lockigen Haarpracht und des sprechenden Mundes mit vier Schneidezähnen. Im Zusammenspiel zwischen Schnitz- und Malkunst ist die letztere in ihrer Aussagekraft nicht zu unterschätzen. Bei unserem Königskopf ist die heutige (originale?) Fassung meiner Meinung nach eine gelungene Arbeit. Allerdings kann Farbe den ursprünglichen Ausdruck eines geschnitzten Werks auch verändern. 

Mit einer länglichen Gesichtsform, der hohen Stirn und den hageren Wangen zeigt sich das Bildnis eines sehr schmalen Mannes. Wacher Blick und sprechender Mund vermitteln Kommunikation mit dem Gegenüber. Die Krone verdient besondere Aufmerksamkeit, da sie als einziges Detail am Objekt nicht gefasst ist. Gerne wird angenommen, dass es sich bei diesem Exponat um einen „Christkönig“, also den auferstandenen gekrönten Christus handelt; der Gesamtausdruck lässt darauf schließen. Leider kann dies nicht zur Gänze bestätigt werden. Es könnte sein, dass die Krone einst eine Mitra (Bischofsmütze) oder eine Tiara (Papstkrone) war und dann – vielleicht aufgrund von Materialschäden – zu einem König umgearbeitet werden sollte. Oder der Künstler konnte das Werk schlichtweg nicht vollenden. Die Unvollständigkeit des Objekts wird auch durch die Vorzeichnungen am oberen Ende der Krone verdeutlicht. Der Idee Albert Roseneggers, es könnte sich um ein „Maisterstuck“, also um das Bewerbungsstück für die Aufnahme in die Zunft handeln, kann hier sehr viel abgewonnen werden. Fakten sind jedenfalls, dass dieses Objekt aus einem Holzstück gefertigt wurde (mit Ausnahme der Holzkeile in der Krone) und dass die Ausführung der Krone nicht abgeschlossen ist. 

Wenn dieser Königskopf auch viel zu erzählen hat, bleibt doch einiges im Ungewissen. Dies bietet Spielraum für Überlegungen, die zur Lebendigkeit eines Objekts beitragen können. 

Großer Dank gilt Kreisarchivar Albert Rosenegger für den inspirierenden fachlichen Austausch.

Rosenegger, Albert: Als Bildhauer nennt Kreisarchivar Albert Rosenegger den in Traunstein von 1674 bis 1713 tätigen Georg Pämer, der ebenso für eine „Prozessionsmonstranz mit Bischof“ verantwortlich zeichnet (ausgestellt im Heimathaus).

Veronika Leopold
Stiftung Heimathaus Traunstein
(April 2022) 

Rund um das Handwerk in Traunstein

„Der Montag ist des Sonntags Bruder, und den Dienstag liegen die Gesellen noch im Luder“. Sollte dieser Sinnspruch jemals Anwendung gefunden haben, musste der Geselle mit Sicherheit die Konsequenzen dafür tragen. Einst gehörte der Geselle zur Familie des Meisters, war dem Gesinde zugeordnet. Berufs- und Familienleben waren sozusagen eins, um die Nahrungserhaltung zu sichern. Das Standes- und Rechtsbewusstsein des Gesellen war jedoch stark ausgeprägt. Wurde ein Meister infolge einer Straftat „unehrlich“, konnte es vorkommen, dass der Geselle über Nacht dessen Haus verließ. Ein Beispiel für eine Straftat zeigt die Heirat eines Sattler-Meisters im Jahr 1610. Mit der Ehe einer Frau, die ein uneheliches Kind eines Pfarrers hatte, wurde der Meister aus der Zunft ausgeschlossen. Letztlich durfte er nach landesherrlichem Befehl zwar wieder als Sattler arbeiten, es war ihm jedoch zeitlebens verboten, Gesellen zu beschäftigen. Meistens aber erklärte die versammelte Zunft den Meister nach einem Vergehen wieder für „ehrlich“ und so konnte er auch wieder Gesellen aufnehmen. 

Trotz der langen Tradition des Traunsteiner Handwerks hatte es keinen großen politischen Einfluss. Dieser lag bis zum Ende des 16. Jahrhunderts bei den reichen Bürgern - den Salzsendern, da Traunstein ein wichtiger Umschlagplatz für den Salzhandel zwischen Reichenhall und München war. Nach der Verstaatlichung des Salzgewerbes wurden zwei Herren des Stadtrats zu Zunftkommissaren bestellt, die daraufhin für Stadt und Staat auf das Handeln der Zünfte einwirkten.

Das Stadtzeichen durfte nur anhand bestandener Qualitätsprüfung der Ware verwendet werden. (Foto: Veronika Leopold)

Jede Branche war also der „Zunft“ oder dem „Handwerk“ - wie man in Traunstein sagte - untergeordnet. Mit dieser Einrichtung sollte jedem Meister sein Dasein gesichert werden, auf dem Grundgedanken basierend, nicht mehr Erzeugnisse herzustellen als gekauft bzw. verbraucht werden konnten. Von den größten Zünften gab es in Traunstein lange Zeit zehn Bäcker, neun Metzger und sechs Schuhmacher. Die Anzahl der Meister eines Handwerks war in Traunstein wie überall begrenzt. Drei Meister waren oftmals in vielen Handwerken wie bei den Schmieden und Müllern tätig. Man war ständig auf der Hut, dass nicht „Stümpler und Fretter ins Handwerk pfuschten“ und den Zunftgenossen „ihr Stückl Brot vor dem Maul abschnitten“. Auf christlichen Säulen gebaut, traten die ersten Zünfte als Gebetsbruderschaften, sogenannte „Zechen“ in Erscheinung. Im Jahr 1418 ist in Traunstein die erste Schmiedzeche erwähnt. Den Meister zu erwerben, war nur in Form von Einheirat oder Erbe möglich. Ausnahmen gab es natürlich. Auch die Anzahl der Gesellen war beschränkt. Bis ins 20. Jh. durfte ein Meister in Traunstein nur zwei Gesellen beschäftigen. Geselle war man lebenslänglich, heiraten durfte man nicht; ausgenommen war die Ehe mit der Meisterswitwe. Die romantische Liebe war dabei unwesentlich. Oftmals lagen Jahrzehnte zwischen dem Alter der Eheleute. Arbeit zu finden, war nicht immer einfach für den Gesellen. Zu diesem Zweck konnte er durch das Deutsche Reich wandern und auf „Handwerksgeschenke“ hoffen.

Zinn-Schuh in eleganter Ausführung (Foto: H. Stangl, Stadt Traunstein)

In jeder Stadt hatte jede Zunft ihr bestimmtes Wirtshaus, wo Zunftversammlungen stattfanden. Das war die Anlaufstelle, um nach Arbeit zu fragen; Stellenvermittlung anno dazumal quasi. Im Traunsteiner Stadt- und Spielzeugmuseum zeugt die Zieglerwirtsstube noch davon. Über den Tischen hängen Zunftzeichen, die anhand des Symbols den Gesellen zu „seinem“ Tisch verwies. Die erste Abbildung zeigt das Tischzeichen der Bruderschaft der Schuhmachergesellen in Traunstein - ein hohler Zinn-Schuh in eleganter Ausführung, über der Ferse mit Drehverschluss. Dieser ist vielleicht ein Indiz dafür, die Trinkfestigkeit der Bewerber zu testen. Die Fußsohle weist die Gravur auf: „Einer ersamen Priederschaft der Schueknedten in Draunstain angeherig 1729“.

Des Weiteren ist das Stadtzeichen Traunsteins auf dem Henkel eines Zinnkrugs der Bierbrauerzunft zu sehen, datiert 1713. Das Stadtzeichen (siehe oben rechts) durfte nur anhand bestandener Qualitätsprüfung der Ware verwendet werden. Zinngießer gibt es in Traunstein seit 1646. Mit einer Zinngießerei weist Traunstein eine von wenigen noch bestehenden Werkstätten in Bayern auf. Mit einem Zinnbecher im Heimathaus wird auch die Zinngießertagung aus dem Jahr 1997 in Traunstein belegt. 

Literatur: 
Bleckenwegner, Hans: Das Handwerk in Traunstein in der frühen Neuzeit, Universität Salzburg 2011.- von Dobeneck, Götz: Handwerkszünfte in Traunstein. In: Festschrift. 100 Jahre historischer Verein für den Chiemgau 1889-1989 zu Traunstein, Jahrbuch, Traunstein 1989.

Veronika Leopold
Stiftung Heimathaus Traunstein
(März 2022) 

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